Berichterstatter EU-Bauftragter Baurat h.c. DI Rudolf Kolbe präsentierte im EWSA in Zusammenarbeit mit BUKO-Präsident Mag. Dr. Daniel Alge eine umfassende Stellungnahme zum „Patentpackage“.
Die Stellungnahme basiert auf einer Vielzahl an Verordnungen und Vorschlägen der EU-Institutionen zu den Themen Schutzzertifikate (Pflanzenschutzmittel und Arzneimittel), Vergabe von Zwangslizenzen für das Krisenmanagement sowie standardessentiellen Patenten (SEP) und beinhaltet konkrete Ergänzungs- und Verbesserungsvorschläge für strukturierte und verfahrenstechnisch klar definierte künftige Lösungen und Umsetzungen – immer unter Bedachtnahme der Wahrung der Rechte aller Beteiligten.
Ausgangslage:
Die COVID-19-Krise und ihre erfolgreiche Bewältigung durch die EU haben gezeigt, dass die Bereitstellung krisenwichtiger Produkte (wie COVID-19-Impfstoffe) nicht durch Patente auf diese Produkte und Technologien behindert wurde. Das war im Krisemodus notwendig, aber nun braucht es für die Zukunft innerhalb des Patentsystems ein Verfahren für den Bereich Zwangslizenzierungen, das für alle Beteiligten (Rechteinhaber, potenzielle Lizenznehmer und die Öffentlichkeit) transparent und fair ist und zudem die Grundrechte wahrt.
Ja zu einheiltichen Schutzzertifikaten zur Stärkung eines harmonisierten Patentsystems
Der Europäische Wirtschafts- und Sozialausschuss (EWSA) begrüßt die Absicht der Europäischen Kommission, in Bezug auf ergänzende Schutzzertifikate (ESZ) mit dem Plan der Schaffung eines neuen, zentralisierten ESZ, das nicht nur für die herkömmlichen europäischen Patente, sondern auch für das Europäische Patent mit einheitlicher Wirkung (Einheitspatent) gilt. Dies ist für die Schaffung eines stärker harmonisierten Patentsystems in der EU von entscheidender Bedeutung.
Im Gesamtkonzept gesehen sind die Vorschläge zur zentralisierten Erteilung ergänzender Schutzzertifikate sowie zur Verbesserung der geltenden Verordnung über das ergänzende Schutzzertifikat für Arzneimittel (ESZ-Verordnung) und Pflanzenschutzmittel sehr zu begrüßen, wenngleich bei einigen Einzelheiten noch Klärungs- bzw. Nachbesserungsbedarf besteht (Konkretisierung der Vertretungsrechte, Verfahren und Kostenübernahmen).
Standardessentielle Patente (SEP) – Nachbesserung durch Beiziehung von Fachleuten und Abwicklung über das Einheitlichen Patentgericht
Der Vorschlag für ein zentralisiertes System von standardessenziellen Patenten (SEP) könnte die Transparenz und Berechenbarkeit im SEP-Bereich wirksam verbessern. Aufgrund der technischen und rechtlichen Komplexität wird die große Herausforderung dieser Initiative darin bestehen, geeignete Verfahren und eine angemessene Vorgehensweise für die Feststellung der Essenzialität und der FRAND-Bedingungen (FRAND – fair, reasonable and non-discriminatory) für ein bestimmtes standardessenzielles Patent zu schaffen. Hier wird die konkrete Empfehlung nach Einbeziehung von Fachleuten und zuständigen Behörden, darunter des Einheitlichen Patentgerichts, in Erwägung zu ziehen, ausgesprochen.
Die neuen Vorschläge in Bezug auf ergänzende Schutzzertifikate und ein angemessener und transparenter Ansatz für standardessenzielle Patente werden erhebliche Vorteile für innovative KMU in der EU bringen. Die Vorschläge könnten Teil eines verbesserten Systems europäischer Vorschriften für geistiges Eigentum sein, das wettbewerbsfähige Investitionen in innovative KMU in der EU ermöglicht und Start-up-Unternehmen in der EU die Chance gibt, ihre Innovationen sowohl im Binnenmarkt als auch darüber hinaus zu vermarkten.
Zwanglizenzierungen brauchen transparente und faire Grundlagen hinsichtlich Rechtsrahmen und Verfahren
Bei den Zwangslizenzierungen erfüllt der vorliegende Vorschlag (EP, EU-Rat) nicht die Wahrung aller Rechte. Er wird weder der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK) noch den im Übereinkommen über handelsbezogene Aspekte der Rechte des geistigen Eigentums (TRIPs-Übereinkommen) vorgeschriebenen Mindeststandards gerecht. Mit dem vorliegenden Vorschlag bezüglich Zwangslizenzen für das Krisenmanagement (CLCM) wird kein faires und transparentes Verfahren eingeführt, das dem Patenthalter den vollen Parteistatus bietet, und es werden auch keine spezifischen Rechtsbehelfe vorgeschlagen. Für Enteignungen – darum geht es hier – reicht der Vorschlag mithin nicht aus.
Der EWSA rät dazu, dass CLCM-Fälle (Vergabe von Zwangslizenzen für das Krisenmanagement) für europäische Patente und Einheitspatente von einem Gericht mit der entsprechenden technischen Kompetenz wie bspw. dem Einheitlichen Patentgericht auf der Grundlage eines transparenten Rechtsrahmens und Verfahrens verhandelt werden. Dieser Rahmen sollte auf der Grundlage von Artikel 5 Teil A Absätze 2 und 4 der Pariser Verbandsübereinkunft, Artikel 31 des TRIPS-Übereinkommens und der Leitlinien der nationalen Rechtsprechung ausgearbeitet werden. Die Zwangslizenzierung nationaler Patente und nationaler Gebrauchsmuster sollte von den jeweiligen mitgliedstaatlichen Behörden und Gerichten, die bereits für Anträge auf CLCM zuständig sind, vorgenommen werden, und zwar auf der Grundlage einer geeigneten EU-Richtlinie über CLCM, die dem Recht und der Praxis für die Verfahren des Einheitlichen Patentgerichts entspricht.
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